Johannes Eckardt

Eckardts philanthropische Angelegenheiten

Dauerausstellung: Farbenkontor, Spinnereistraße 7, Halle 23, Leipzig / Montag bis Freitag , 10.00 - 18.00 Uhr / Samstag , 10.00 - 13.00 Uhr

 

Texte zur Arbeit

 

 

Im Atelier

 

Wenn man Johannes Eckardt in seinem Atelier besucht, kann es passieren, dass man mitten im angeregten Gespräch gefragt wird, ob es einem etwas ausmacht, wenn er seine Staffelei bereitstellen würde oder seinen Block mit Stift. Es macht einem nichts aus, denn das Gespräch war vorher anregend und bleibt es auch weiterhin, während er arbeitet. Johannes Eckardt ist neugierig. Nicht auf die gemeinhin gebräuchliche Art des Begriffs, er ist neugierig im Sinn: von aufgeschlossen gegenüber anderen Personen, ihren Besonderheiten, neugierig auf das Solitäre. Die Besonderheit einer Augenstellung, wie etwa eine Nase im Verhältnis zum Zwischenraum zur Oberlippe steht, wodurch Züge entstanden, die das Gesicht auf unverwechselbare Art prägten. Eckardt ist neugierig auf Haltungen, sowohl geistiger als auch körperlicher Art, ihn interessieren Persönlichkeiten. Er folgt damit einer schönen Tradition, die derzeit etwas in Vergessenheit zu geraten scheint, n mlich das unmittelbare Aufnehmen vor der Natur. Er braucht neben, zum Beispiel auch Fotos als Anregung letztlich immer wieder die direkte Auseinandersetzung mit dem Modell durch Zeichnen und Malen.

 

Das Atelier von Johannes Eckardt verweist auf seine unterschiedlichen künstlerischen Ansatzpunkte, sein Atelier ist eine Fundgrube. Collagen gefundener Bilder, zum Teil übermalt, fügen sich dicht gedrängt in Rahmen, legen Zeugnis ab von seiner überbordenden Fantasie. Dazwischen, einem kleinen Andachtsbilde gleich, die Postkarte eines Rubensbildnisses; Dürer, Canova, Rembrand sind ebenfalls auf ähnliche Art vertreten als stille Zeugen künstlerischer Affinitäten. Dann wieder findet der Blick eine Reihe schmaler offener Regale, Heimstatt für eine Heerschar von Figuren: Reiter, Soldaten, Ritter oder Indianer. Sie dürften sicher jedes Kinderherz erfreuen, aber auch das des Erwachsenen, der sich die Freude am Spieltrieb bewahrt hat. Johannes Eckardt gehört dazu.

 

Das künstlerische Werk von Johannes Eckardt lässt sich schon heute in übersichtliche Werkgruppen gliedern. Da ist die Farbzeichnung, die Collage - spontaner Ausdruck dafür, einen Eindruck, ein Erlebnis fest zu halten. Häufig steht sie in selbstbewusster Eigenständigkeit für sich, oft dient sie auch als Vorbereitung für weitere Arbeiten. Die Grafik bildet einen weiteren wichtigen Aspekt seines Werkes, zumeist sind es Holzschnitte und Radierungen. überzeugen die Holzschnitte durch die souveräne Handhabung der Umsetzung in Schwarz und Weiß, so bestechen die Radierungen immer aufs Neue durch ihre kräftigen Gestaltungsrhythmen und ihre subtile Ausführung durch ein dichtes Reservoir an Grauwerten und krönendem Schwarz.

 

Johannes Eckardt erzählt. Er erzählt Geschichten, wohl wissend, dass es für diese - bei ihm positiv belegte Eigenart - durchaus auch einschränkende Argumente gibt. Allzu häufig sieht sich doch ein "Erzähler" dem Verdacht ausgesetzt, dass er über der Mitteilung, um welches Geschehen auch immer es sich handelt, gern das Bildspezifische, die Komposition, den Bilderaufbau an zweite Stelle rücken lässt. Der Verdacht ist alt, häufig aber stimmt er nicht. Die Bildgeschichten von Johannes Eckardt, die sich keinesfalls auf den ersten Blick erschließen und oft einen Rest von Unauslegbarem behalten, trifft dieser Vorwurf nicht; auf souverän leichte Art weiß er seine Vorstellungen des Geschehens und Prinzipien des Bildbaus miteinander zu verbinden, die Unverkrampftheit des Herangehens geht auf den Betrachter über.

 

Das Hauptbetätigungsfeld von Johannes Eckardt ist die Malerei und da wiederum nimmt die Figur, besser noch: das halbfigürliche Bildnis einen besonderen Rang ein. In einer beeindruckenden Intensität widmet er sich immer wieder diesem Sujet und gewinnt ihm neue Facetten ab. Die unmittelbar persönliche Umgebung, seine Frau und Kollegin, die Eltern, Studienkollegen, Freunde, zufällige Bekanntschaften, Modelle. Es ist erstaunlich, welche Nuancen Eckardt dem Sujet abzugewinnen weiß: Seine Modelle werden in Pose gebracht, die dann doch wieder als keine solche erscheint, vorgegebene Bewegungen, die den posierenden auf den Leib geschrieben scheinen oder aber der Ansatz, nicht zu "dirigieren", es sich aus der Haltung entwickeln lassen.

 

Ferdinand beim Fußball, Vadim als Heinrich der IV nach Rubens, ein Mädchen am Haar nestelnd, Robert in Verkleidung, Franziska schlafend, - die Liste, setzt man sie fort, wäre Legion. Was aber wären die Bildnisse ohne ihre Umsetzung, den Einsatz der Farbe, das Belassen von Pinselspuren, die den Arbeitsprozess lebendig machen, das Verhältnis von Linie und Farbe, möglich vielleicht einer Weise von Lantree verwandt oder die zugespitzte Physiognomie, eventuell wie bei Dix oder das Aufspüren und Festhalten prägnanter Farbabstufungen, die im Gesamtcolorit eine typische Seite einer Person abgeben, etwa der Arbeitsweise von Kokoschka nicht fremd - doch halt! - so kommt man der Eigenheit von Johannes Eckardt nicht auf die Spur. Eventuelle Vergleiche mit abgesicherten Künstlern der Kunstgeschichte können allenfalls die Phalanx geschätzter Maler antippen, längst hat die Umsetzung der Personenerlebnisse in Bilder einen unverwechselbaren Stempel des Johannes Eckardt bekommen.

 

Wie steht es mit Tendenzen, mit dem Verhältnis zu dem was derzeit in Bildender Kunst angesagt ist oder scheint.

 

Johannes Eckardt steht dem gelassen gegenüber. Es ist keine aufgesetzte Gelassenheit, sie kommt aus den intensiven Arbeiten heraus, aus der Gewissheit, es für sich so tun zu müssen, getragen von dem immer wieder spannenden Erleben seines Gegenüber, eine Gelassenheit, die man oft manch einem in Situationen wünschen kann. Johannes Eckardt hat sie. Was man ihm freilich wünschen kann: diese seine ausgeprägte Arbeitsweise beizubehalten, einen guten Ort ab und zu, wo man seine Arbeiten in einem Umfang zeigen kann, der ihnen adäquat ist - als Voraussetzung für alles freilich: Gesundheit.

 

Dass der Gesprächsstoff bei einem nächsten Atelierbesuch nicht ausgeht ist außer Frage, es werden wieder erstaunlich viel neue Arbeiten vorhanden sein, Beständiges und neue Ansatzpunkte und - Johannes Eckardt wird gegenüber seinem Gesprächspartner "neugierig" bleiben.

 

Prof. Ulrich Hachulla, Juli 2006

 

 

 

Plakattext zur Ausstellung in der Uniklinik Leipzig - "Schaufenster"

 

Die Schaufensterauslagen haben sich verändert. Die Blicke darauf auch.

Wo sich früher Nasen plätteten und ein lechzendes Publikum zusammenkam, um ein wenig von der Glitzerwelt hinter Glas zu bestaunen, befinden sich heute gewohnte Bilder einer immer ähnlichen Konsumwelt. Wir gehen täglich daran vorbei und wir träumen kaum mehr von ihr. Rar sind die Sirenen, die uns locken. Beinahe ausgestorben der Dekorateur, der über seinen Auftrag hinaus noch etwas ganz anderes verfolgt. Eine kleine, eine neue Welt - in einem Schaukasten.

 

Die detailreichen Aquarelle des Leipziger Künstlers Johannes Eckardt lassen uns - auch dorthin - wieder genau sehen. Er sammelt und beobachtet Schaufenstersituationen aus den verschiedensten Blickwinkeln. Nimmt sich Zeit für Raum und Licht. Unschärfe und Überlagerungen. Er schaut als Maler auf etwas, in etwas hinein. Die Stadt, die Menschen, das Leben sind die Umgebung, aus der sich Eckardt dabei bedient. Dort findet der Künstler, was er sucht - wie in einem Laden: Am Ende ist es immer „nur“ ein Bild.

Jedoch: auf etwas zu schauen oder in etwas hinein, sind verschiedene Dinge.

 

Es sind Flächen und es sind Räume, an denen wir vorbeigehen. Schnappschüsse und immer auch Möglichkeiten.

Dem widmet sich Eckardt unaufhaltsam, da schaut er hin und verweilt, um Draufsicht und Aussicht zu vereinen. Um Vielschichtiges neu zu sortieren und auf einem Blatt festhalten zu können. Denn vordergründig ist es nicht das Abbild der Realität, was den Maler reizt, sondern das Gefühl zu ihr. Der neue Blick auf sie. Unsere Blicke auf das, was da ist. Es sind Schaukästen doppelter Perspektive.

 

Und so befinden sich inmitten barocker Üppigkeit, zwischen schlichten Sachauslagen und innerhalb der Vielfalt des Trödelladens immer auch die Spiegelungen im Schaufensterglas auf seinen Bildern. Er holt mit hinein, was von Außen draufschaut.

Und wieder können wir an Fensterscheiben lehnen und nicht nur uns selbst darin betrachten.

 

Henriette Aichinger, Oktober 2010